Gesetzesänderungen in der betrieblichen Altersversorgung ab 01.01.2018

A Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG)

1. Sozialpartnermodell

    • 1.1 Rechtsgrundlage Tarifvertrag
    • 1.2 Einführung der reinen Beitragszusage
    • 1.3 Optionssysteme (automatic-enrolment)

2. Weitere Änderungen

    • 2.1 Erweiterter Rahmen der Steuerfreiheit von Beiträgen zur Entgeltumwandlung
    • 2.2 Vervielfältigung bei Dienstaustritt
    • 2.3 Nachzahlung nach ruhendem Arbeitsverhältnis
    • 2.4 Förderbeitrag für Geringverdiener
    • 2.5 Aufhebung der Doppelverbeitragung bei Riesterverträgen in der bAV
    • 2.6 Freibetrag bei der Grundsicherung
    • 2.7 Weitergabe der Sozialabgabenersparnis auf Arbeitgeberseite in Höhe von 15 %
    • 2.8 Portabilität bei Beteiligung einer reinen Beitragszusage
    • 2.9 Private Fortführung \‘.On Rückdeckungsversicherungen bei Arbeitgeber-Insolvenz

B Mobilitätsrichtlinie

    • 1. Gesetzliche Unverfallbarkeit 3 Jahre; Mindestalter 21
    • 2. Finanzierungsmindestalter 23 für Direktzusagen und Unterstützungskassen
    • 3. Dynamisierung von Versorgungsleistungen unverfallbar Ausgeschiedener

C Hinterbliebenenregelung in der bAV für gleichgeschlechtliche Paare

  • 1. Ehevertrag
  • 2. Lebenspartnerschaft
  • 3. Lebensgemeinschaft
  • Beratungsansätze:
    rechtssicher die Versorgungsordnung überarbeiten; evtl. kostensparend den Durchführungsweg wechseln; Versorgung auf die Tagesordnung

A Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG)
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) tritt zum 01.01.2018 in Kraft. Das BRSG ist ein so genanntes Artikelgesetz. Es ändert hauptsächlich das Betriebsrentengesetz sowie das Steuer- und Sozialversicherungsgesetz.
Das BRSG ist in das Sozialpartnermodell und weitere Änderungen unterteilt.

1. Sozialpartnermodell
Die Neuerungen durch das Sozialpartnermodell sind:

      • die Einführung der reinen Beitragszusage – ohne Garantie der Leistung durch Arbeitgeber und Produktpartner auch ohne eine optionale Garantie,
      • und sog. Optionssysteme

In einem neuen Abschnitt VII. im BetrAVG, überschrieben mit „Betriebliche Altersversorgung und Tarifvertrag“ finden sich Regelungen zum sog. Sozialpartnermodell.

1.1 Rechtsgrundlage Tarifvertrag

Tariföffnungsklausel für nichttarifgebundene Unternehmen § Voraussetzung für die Anwendung der neuen Zusageform „reine Beitragszusage“ und betrieblicher Optionssysteme auch bei nichttarifgebunden Unternehmen ist eine entsprechende tarifvertragliche Öffnungsklausel.19 (2) BetrAVG. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelungen vereinbart ist.

Neuregelungen Gesetzliche Grundlage
Rechtsgrundlage für das Sozialpartnermodell ist ausschließlich der Tarifvertrag. Hierzu ist eine allgemeine Tariföffnungsklausel erforderlich § 19 (1) BetrAVG. Von den §§ 1a, 2, 2a Abs. 1, 3 und 4, § 3, mit Ausnahme des § 3 Abs. 2 Satz 3, von den §§ 4, 5, 16, 18a Satz 1, §§ 27 und 28 BetrAVG kann in Tarifverträgen abgewichen werden.
Tariföffnungsklausel für nichttarifgebundene Unternehmen § Voraussetzung für die Anwendung der neuen Zusageform „reine Beitragszusage“ und betrieblicher Optionssysteme auch bei nichttarifgebunden Unternehmen ist eine entsprechende tarifvertragliche Öffnungsklausel. 19 (2) BetrAVG. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelungen vereinbart ist.
Tarifvertrag und Entgeltumwandlung
Entgeltumwandlung kann erst durchgeführt werden, wenn der anzuwendende Tarifvertrag dies zulässt.
§ 20 (1) BetrAVG. Soweit Entgeltansprüche auf einem Tarifvertrag beruhen, kann für diese eine Entgeltumwandlung nur vorgenommen werden, soweit dies durch Tarifvertrag vorgesehen oder durch Tarifvertrag zugelassen ist.
1.2 Einführung der reinen Beitragszusage
§ 1 (2) Satz 2a. BetrAVG. Die Definition der reinen Beitragszusage findet sich in§ 2a. BetrAVG
Die reine Beitragszusage ist eine neue Form der Durchführung betrieblicher Altersversorgung.
Die bisherigen Durchführungsformen.
– reine Leistungszusage
– beitragsorientierte Leistungszusage
– Beitragszusage mit Mindestleistung bleiben bestehen.
Durchführungswege sind nur Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds.
Die reine Beitragszusage ist in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse nicht möglich
Die reine Beitragszusage beinhaltet keinerlei Haftung für den Arbeitgeber (außer im Hinblick auf die Beitragszahlung), keine Anpassungspflicht. Keine Zahlungen an den Pensionssicherungsverein PSV.
§ 1 (2) Satz 2a. BetrAVG. Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn ( … ) der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- ( … ) vereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung …
… an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach§ 22 zu zahlen; …
… die Pflichten des Arbeitgebers nach Abs. 1 Satz 3 § la Abs. 4 Satz 2, den §§ 1 b bis 6 …
… und § 16 …
… sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt
bestehen nicht
(reine Beitragszusage).
Arbeitnehmer und Versorgungseinrichtungen
Rechte und Pflichten sind im Betriebsrentengesetz verankert
– Es darf keine garantierte Leistung vereinbart werden
– Sofortige Unverfallbarkeit der Arbeitgeberleistungen
– Fortsetzung mit eigenen Beiträgen
– Übertragung auf neuen Arbeitgeber
§ 22 BetrAVG
(1) Satz 2
(2) Satz 1
(3) Abs. 1 a)
(4) Abs. 1 b)
Versorgungseinrichtungen müssen für die reine Beitragszusage folgende Kriterien erfüllen:
– Keine Leistungsgarantie der DV, PK oder des PF
– Nur laufende Leistungen (lebenslange Rente) Keine Kapitalauszahlung
– Rentner müssen an den Erträgen partizipieren
§ 24 b (1) VAG. Verpflichtungen
Pensionsfonds, Pensionskassen und andere Lebensversicherungen (Direktversicherungen, Anmerkung VZ) dürfen reine Beitragszusagen nur dann durchführen, wenn
1. sie dafür keine Verpflichtungen eingehen, die garantierte Leistungen beinhalten
2. die allgemeinen Versicherungsbedingungen oder die Pensionspläne eine lebenslange Zahlung als Altersversorgungsleistung vorsehen und
3. festgelegt ist, dass das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital sowie die darauf entfallenden Zinsen und Erträge planmäßig für laufende Leistungen verwendet werden.
Zusatzbeiträge des Arbeitgebers
– Der Sicherungsbeitrag
Tarifverträge können einen Sicherungsbeitrag vereinbaren, der vom Arbeitgeber zusätzlich zu zahlen ist. Dadurch sollen mögliche Schwankungen der Rentenhöhe verursacht durch Schwankungen am Kapitalmarkt abgefedert werden. Der Sicherungsbeitrag ist nicht einem einzelnen Arbeitnehmer unmittelbar zuzurechnen.
Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung
– Der Arbeitgeberzuschuss ist dem einzelnen Arbeitnehmer
unmittelbar zuzurechnen.
§ 23 BetrAVG.
1. Zur Absicherung der reinen Beitragszusage soll im Tarifvertrag ein Sicherungsbeitrag vereinbart werden
2. Bei einer reinen Beitragszusage ist im Fall der Entgeltumwandlung im Tarifvertrag zu regeln, dass der Arbeitgeber 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten muss, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.
Rechtsfolgen aus der Zuschusspflicht
– ab 1.1.2018 gilt für Entgeltumwandlungsvereinbarungen in Form der reinen Beitragszusage die Zuschusspflicht sofort.
– ab 1.1.2019 gilt für Entgeltumwandlungsvereinbarung, die ab 1.1.2019 in Form der beitragsorientierten Leistungszusage und der Beitragszusage mit Mindestleistung geschlossen wurden Zuschusspflicht.
– ab 1.1.2022 gilt für alle Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1.1.2019 geschlossen wurden Zuschusspflicht.
§ 26 a BetrAVG.
la Abs. la gilt für gilt für Individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1.1.2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1. Januar 2022.

1.3 Optionssysteme (automatic-enrolment)
Das sog. Opting-Out oder auch automatic-enrolment beinhaltet die automatische Teilnahme der Arbeitnehmer am Entgeltumwandlungssystem, wobei der Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht hat.
Beide Neuerungen können auch von nicht-tarifgebundenen Parteien genutzt werden, sofern die Tarifvertragsparteien zustimmen.
Diese Neuerungen sind mit zahlreichen aufsichtsrechtlichen Änderungen verbunden.

2. Weitere Änderungen
Neben der Einführung des Sozialpartnermodells, das den Sozialpartnern eine große Verantwortung bei der Verbreitung der bAV auferlegt, kommt es zu zahlreichen weiteren Änderungen, die auch die bestehende bAV-Welt betreffen.
2.1 Erweiterter Rahmen der Steuerfreiheit von Beiträgen zur Entgeltumwandlung§ 3.63 EStG
So wird der steuerliche Rahmen für Beiträge zum Aufbau einer kapitalgedeckten Anwartschaft auf bAV über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse und einen Pensionsfonds in§ 3 Nr. 63 EStG von aktuell noch 4 auf 8 % der BBG ausgebaut.
Sozialversicherungsrechtlich bleiben allerdings weiterhin nur 4 % der BBG sozialabgabenfrei.
Der bisherige Aufstockungsbetrag von 1.800 EUR entfällt und damit auch die Unterscheidung zwischen Alt- und Neuzusagen (vor bzw. ab dem 01.01.2005). Beiträge zu einer Direktversicherung, die nach § 40b EStG a.F. pauschal besteuert werden, werden auf die weiteren 4% mit ihrer tatsächlichen Höhe angerechnet.

2.2 Vervielfältigung bei Dienstaustritt§ 3.63 EStG Entwurf BMF Schreiben Rdnr. 320 a und b (Stand 28.09.2017)
Es kommt darüber hinaus zu Vereinfachungen bei der Vervielfältigungsregelung (4 % der BBG multipliziert mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Arbeitsverhältnis bestanden hat, maximal jedoch 10 Jahre).

2.3 Nachzahlung nach ruhendem Arbeitsverhältnis BMF Schreiben Rdnr. 320 c (Stand 28.09.2017)
Für den Fall eines ruhenden Arbeitsverhältnisses können künftig 8 % der BBG, multipliziert mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Arbeitsverhältnis ruhte, maximal jedoch 10 Jahre, steuerlich im Rahmen von § 3 Nr. 63 EStG gefördert werden (z.B. Mutterschutz).

2.4 Förderbeitrag für Geringverdiener § 100 EStG BMF Schreiben Rdnr. 362 (Stand 28.09.2017)
Für Geringverdiener (mit einem monatlichen Arbeitseinkommen bis zu 2.200 EUR) wird in § 100 EStG eine gezielte Förderung implementiert. Wenn der Arbeitgeber für diese Arbeitnehmer eine bAV finanziert, erhält er bis zu 144 EUR (30 % der Beiträge von mindestens 240 bis maximal 480 EUR) über die Lohnsteuer im nächsten Monat erstattet.

2.5 Aufhebung der Doppelverbeitragung bei bAV-Riester-Verträgen § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V
Bislang war die doppelte Verbeitragung bei Riester-Verträgen, die als bAV durchgeführt wurden, ein schlagendes Argument gegen bAV-Riester und für private Riester-Verträge. Künftig werden Leistungen aus bAV-Riester-Verträgen in der Leistungsphase nicht mit gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belastet(§ 229 Abs. 1 Nr. 5 5GB V). Dies gilt auch für bestehende
Verträge. Weiter wird die jährliche Grundzulage von aktuell 154 auf 175 EUR erhöht.

2.6 Freibetrag bei der Grundsicherung§§ 82 und 90 SGB XIII
In den §§ 82 und 90 SGB XIII wird ein Freibetrag für zusätzliche Altersversorgung eingeräumt. Er gilt für die Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten. Der Sockelfreibetrag beträgt 100 EUR. Darüber hinaus gibt es den erweiterten Freibetrag von 30 % des Betrags einer zusätzlichen Altersversorgung über 100 EUR, wobei der Sockelbetrag und der erweiterte Freibetrag auf 50 % der Regelbedarfsstufe 1 begrenzt sind.
Aktuell wären damit bis zu 204,50 EUR freiwillige Zusatzrente anrechnungsfrei.

2.7 Weitergabe der Sozialabgabenersparnis auf Arbeitgeberseite in Höhe von 15 % auch für Altverträge
Künftig wird die Weitergabe auf Seiten des Arbeitgebers eingesparter Sozialversicherungsbeiträge bei Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer verpflichtend sein. Die Weitergabe erfolgt als Zuschuss zur Entgeltumwandlung in pauschalierter Form mit 15% des umgewandelten sozialversicherungsfreien Entgelts. Dies gilt jedoch nicht für Entgeltumwandlung in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse.

Die verpflichtende Weitergabe der Sozialabgabenersparnis gilt nicht nur für Entgeltumwandlung im Wege der reinen Beitragszusage, sondern auch für (bestehende) Entgeltumwandlung außerhalb des Sozialpartnermodells.

So gilt die Verpflichtung hier für alle Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die ab dem 01.01.2019 geschlossen werden; bei bereits bestehenden Vereinbarungen haben Arbeitgeber vier Jahre Zeit, diese Umstellung in ihrem Bestand vorzunehmen.

D.h. bei bereits bestehenden Entgeltumwandlungsvereinbarungen müssen ab 2022 die eingesparten Sozialversicherungsbeiträge weitergegeben werden.

Zeitplan für die Weitergabe der SV-Ersparnis bei Entgeltumwandlung in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds:

1.1.2018 neue Zusagen ab 1.1.2018 als reine Beitragszusage
1.1.2019 neue Zusagen ab 1.1.2019 als beitragsorientierte Leistungszusagen oder Beitragszusagen mit
Mindestleistung
1.1.2022 alle Zusagen mit Beginn vor dem 1.1.2019 (auch 40b Verträge nach derzeitigem Rechtsstand)

2.8 Portabilität bei Beteiligung einer reinen Beitragszusage
Bei Arbeitgeberwechsel sind folgende Übertragungsmöglichkeiten für Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds gegeben:
Eine reine Beitragszusage kann nur auf eine reine Beitragszusage übertragen werden.
Beitragszusagen mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusagen können neben den bisherigen Möglichkeiten auch auf eine reine Beitragszusage übertragen werden.

2.9 Private Fortführung von Rückdeckungsversicherungen bei Arbeitgeber-Insolvenz§ 8 Abs. 3 BetrAVG
Nach § 8 Abs. 3 BetrAVG hat der Arbeitnehmer im Insolvenzfall des Arbeitgebers das Recht, in eine für ihn abgeschlossene Rückdeckungsversicherung des Arbeitgebers als Versicherungsnehmer einzutreten und die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortzusetzen. Der Erwerb der Ansprüche ist nach§ 3 Nr. 65 Satz 1 Buchstabe d EStG steuerfrei.